Der Bregenzerwald ist nicht nur eine traditionelle Blasmusikgegend.
Von Dr. Ulrike Längle

Heuer fand zum ersten Mal im Bregenzerwald eine Sommer-fiddleschool statt, zu der Streicher aller Altersgruppen eingeladen waren. Als ältere Hobbygeigerin wollte ich einmal etwas Neues ausprobieren und meldete mich an. Im außergewöhnlich schönen Dorfsaal von Mellau versammelten sich schließlich ca. 30 TeilnehmerInnen, darunter vier Buben mit Celli, Bratschen und Geigen, um drei Tage lang von der legendären Evelyn Fink-Mennel, vielseitige Geigerin und Volksmusikforscherin, und ihrer ehemaligen Schülerin und Kollegin Irma-Maria Troy in die Kunst des Fiddelns eingeweiht zu werden. Die zwei jüngsten Fiddler waren gerade einmal sechs, die älteste 67, der Großteil zwischen sechs und 16. Die meisten kamen aus den Bregenzerwälder Musikschulen (unterstützt von drei Musiklehrerinnen), einige aber auch aus Bartholomäberg, Schnifis, Koblach, Lindau und Wien.

Die Energie von Evelyn Fink-Mennel

Es war einfach phänomenal, wie Evelyn Fink-Mennel es verstand alle anzusprechen, einzubeziehen und mit ihrer umwerfenden musikantischen Energie anzustecken. Der erste Tag begann mit dem Kanon „Frère Jacques“ zu den Worten „Liebe Geige/Bratsche/Cello, schläfst du noch…“ und dem Song aus Vicky und die starken Männern“, der zu einem Dankeslied für Elisabeth Wicke, der langjährigen Obfrau der Musikschule Bregenzerwald, umgetextet wurde.

Anleitungen zum Begleiten im Polka- und Walzerrhythmus folgten, wir lernten Blues, fröhliche Polkas aus Schweden und Finnland und einen besinnlichen „Langdanse“, einen innigen Jodler und als Kontrast (mit Noten) einen Satz aus Händels Feuerwerksmusik. Fast alles wurde auswendig einstudiert, die Melodie zuerst oft einfach gesungen, Gehör und Gedächtnis und das Aufeinander-Hören intensiv geschult, einiges in Kleingruppen erarbeitet. Die Jüngeren bildeten die Begleit- und Rhythmusgruppe und spielten erstaunlich rein und sicher. Und natürlich wurde auch getanzt. Jung und Alt kamen sich auch beim gemeinsamen Mittagessen im Gasthaus näher, die umsichtige Organisatorin Veronika Sutterlüty vom Kulturforum Bregenzerwald hatte an alles gedacht. Mit erklärte eine kleine Cellistin beim Warten an der Bushaltestelle, sie finde es cool, dass auch „alte Lüt“ dabei seien.

Am letzten Tag, am verregneten Samstag, gelang es, wenigstens eine Ahnung vom Alpabtrieb mitzuerleben und den „Umweltschall“(Fink) der tiefen, dröhnenden Kuhglocken wahrzunehmen.

Sechsjähriger Taktgeber
Beim Schlusskonzert war der Saal gut gefüllt, drei Stücke, Händels Feuerwehrmusik (mit Pauken verstärkt), ein Cowboy-Song und ein Tennessee-Blues wurden nach Noten gespielt, dann begann das freie Musizieren, auswendig und im Stehen. Die teilnehmenden drei älteren Damen durften bei der finnischen Oktober-Polka, die sich zu immer rasenderem Tempo steigerte, ihre Noten behalten. Beim schwäbischen Volkslied „Widele, wedele“ gab die sechsjährige Lorena den Takt an, beim österreichischen Roller-Jodler spielten der gleichaltrige Emil mit dem nur wenig ältere Adrian ihre Stimme quasi solistisch. Dass der Bregenzerwald nicht nur eine traditionelle Bläsergegend ist, sondern dass sich auch der Streichernachwuchs aus dieser Gegend hören lassen kann, hat sich erfrischend gezeigt. Das Coronavirus wurde durch die Schutzmaßnahmen in Schach gehalten. Das Fiddle-Virus jedoch hat garantiert alle angesteckt.

Der Artikel ist in der Vorarlberger Nachrichten am 3.9. 2020 erschienen. Wir danken Christa Dietrich( VN) und Ulrike Längle für die Erlaubnis zur Veröffentlichung in unserer Zeitschrift „Maultrommel“.